Im Hintergrund wird per Beamer das gemalte Bild Schöners projiziert. Es zeigt eine schnelle Skizze der Mutter, die an einem Band, vergleichbar mit einem Luftballon die Fluchterfahrung hinter sich herzieht. Im Vordergrund, in den Räumen der Tagesstätte der Regionalen Diakonie Bergstraße stehen Will und Andrea Fischer mit ihren Saxophonen in der Hand, in ihrer Mitte Felicia Schöner.
v.l. Willi Fischer, Felicia Schöner, Andrea Fischer Foto: Käthe Müller

Regionale Diakonie Bergstraße lud im Rahmen des Demenzquartals zu Lesung mit Musik

Die Fluchterfahrung belastet ein Leben lang

Regionale Diakonie Bergstraße, RIMBACH. Im Rahmen des Demenzquartals Kreis Bergstraße lud die Regionale Diakonie Rimbach zu einer Lesung von Felicia Schöner ein. Das Herzstück des Abends war ihr Buch “Meine Mutter auf der Flucht”,

das durch eindrucksvolle Bilder, von Schöner selbst auf dem iPad gezeichnet, und kurze, emotionale Texte die Fluchtgeschichte ihrer Mutter einfängt. Die Künstlerin bezeichnet ihre Bilder dabei als „Zehn-Minuten-Bilder“, die sie spontan und schnell entstehen ließ.

18 Monate Flucht von Schlesien nach Bremen

Felicia Schöner sitzt auf einem Stuhl mit dem aufgeschlagenen Buch in der Hand. Im Hintergrund das Bild einer Hand mit einem Schlüssel, das Schöner gemalt hat.

Nimmt man den Haustürschlüssel mit auf die Flucht?

In ihrem Buch erzählt Schöner die Geschichte der Flucht ihrer Mutter im Jahr 1945. Die damals 15-Jährige floh zusammen mit ihrer Mutter und Schwester von Schlesien nach Bremen. Die traumatische Reise dauerte eineinhalb Jahre, und nach ihrer Ankunft in Bremen stießen die sogenannten “Flüchtlinge” auf erheblichen Widerstand in der Bevölkerung. Niemand wollte in dieser schweren Zeit zusätzlich Flüchtlinge mit deren Nöten und Bedürfnissen aufnehmen.

Lebenslanges Schweigen

Während der Lesung unterbrach Schöner sich immer wieder, um zu betonen, dass ihre Mutter nie von ihrer Flucht und den Erlebnissen erzählte, und auch sie selbst nicht danach fragte, da die Atmosphäre dies nicht zuließ. Das Buch entstand daher durch intensive Recherchearbeit. Die Auswirkungen des Traumas auf ihre Mutter wurden besonders deutlich, als die Demenz einsetzte. In dieser Phase verschwammen Erinnerungen und Gegenwart zu einer beängstigenden Erfahrung. Schöner visualisierte diese Angst metaphorisch als einen Wolf, der ihre Mutter daran hinderte, den Raum der Angst zu verlassen. Einzig im Kreise ihrer Familie fühlte sich die Mutter sicher.

Text, Bilder und Musik – eindrückliche Harmonie

Die Lesung wurde von den Heidelberger Saxophonisten Andrea und Willi Fischer musikalisch begleitet. Ihre einfühlsame Musik unterstrich die durch Text und Bilder hervorgerufenen Emotionen. Von hektischen, fast disharmonischen Klängen, die die Aufbruchsstimmung und Verzweiflung der Flüchtenden einfingen, bis hin zu den ruhigen, wohltuenden Klängen des Kirchenliedes „So nimm denn meine Hände“, das Schöners Erzählung vom Tod der Mutter aufgriff, dem friedlichen Ende eines Lebens in Angst.

Felicia Schöner schlug einen Bogen zu den vielen Menschen mit Fluchterfahrung heute, die ebenso wenig willkommen sind wie ihre Mutter damals. Die Frage nach der Verarbeitung des Traumas bei den Geflüchteten von heute wurde aufgeworfen.

Die Besucherinnen und Besucher der Lesung waren sichtlich ergriffen von der dichten Atmosphäre der Veranstaltung, der Musik und der eindrücklichen Bilder.

Quelle: Regionale Diakonie Bergstraße (KM), 29.02.2024
Fotos: Käthe Müller

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