Der Leiter der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werkes Bergstraße Björn Metzgen-Meuer (zweiter v.l.) fragte, wie Vertrauen zwischen Vermieter und Mieter geschaffen werden kann. Foto: bbiew
Der Leiter der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werkes Bergstraße Björn Metzgen-Meuer (zweiter v.l.) fragte, wie Vertrauen zwischen Vermieter und Mieter geschaffen werden kann. Foto: bbiew

Konstruktive Debatte im Haus der Kirche

Evangelisches Dekanat Bergstraße, Heppenheim – Welche Möglichkeiten gibt es, bezahlbaren Wohnraum in der Region Bergstraße zu schaffen? Das wollte das Evangelische Dekanat Bergstraße wissen. Bei einer Veranstaltung im Heppenheimer Haus der Kirche machten Experten und Bürger fünf konkrete Vorschläge. Sie sollen in die vom Landkreis initiierte Entwicklungsstrategie „Vision Bergstraße“ einfließen.

Durch Aufstockung, Anbau oder Verdichtung von Wohngebieten könne neuer Wohnraum entstehen, meinte Jutta Scheurich vom Team Stadtplanung und Demographie der Stadt Bensheim. Doch dagegen gebe es zum Teil massive Vorbehalte von Wohn- und Grundstückseigentümern. Die Teilnehmenden ihrer Arbeitsgruppe regten an, eine anerkannte und vertrauenswürdige Persönlichkeit einzuschalten, die in einer Art „Kaltakquise“ Eigentümer anspricht und mit ihnen die Möglichkeit erörtert, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.

Leerstand und Vertrauen

Es lohne sich auch Leerstände in vorhandenen Häusern ausfindig zu machen und die Eigentümer anzusprechen, meinte Dorte Meyer-Marquart vom Büro für Umwelt und Regionalmanagement Obernburg. Ein sensibles Thema, waren sich alle einig. Ein „multi-professionelles“ Kompetenzteam könnte dabei Wege ebnen, Eigentümer zu beraten mit dem Ziel, leer stehenden Wohnraum zu vermieten.

Der Leiter der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werkes Bergstraße, Björn Metzgen-Meuer, sprach sich dafür aus, das Vertrauen zwischen Mieter und Vermieter zu stärken. Seine Arbeitsgruppe regte an, einen unabhängigen Obmann oder Obfrau als Vermittler einzuschalten.

Mietpreise und Mietspiegel

Gernot Jacobi von der Wohnbau Bergstraße eG machte sich für den sozialen Wohnungsbau stark und erklärte: „Flächen für den sozialen Wohnungsbau gehören nicht in private Hand.“ Seine Arbeitsgruppe regte eine „interkommunale Zusammenarbeit“, bei der gemeinsam geklärt wird, wo, auf welchen Flächen und in welchen Umfang günstiger Wohnraum geschaffen werden kann.

Regina Kamm vom Mieterbund Darmstadt, Region Südhessen e.V. sagte, dass mittlerweile auch Durchschnittsverdiener Probleme hätten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ihre Arbeitsgruppe sprach sich für einen qualifizierten Mietspiegel aus, der eine besondere Gewähr für die Richtigkeit der Angaben zur Miete biete und im Falle von mietrechtlichen Auseinandersetzungen auch erhebliche Beweiskraft habe.

Aktive Beteiligung an der “Vision Bergstraße”

Die Referentin für gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat Bergstraße, Sabine Allmenröder, die die Veranstaltung nach dem Muster eines „World Cafe“ mit verschiedenen Diskussionstischen organsiert hatte, betonte, dass der Kreis Bergstraße zur Bürgerbeteiligung aufgerufen habe. „Wir nehmen den Kreis mit dieser Veranstaltung beim Wort.“ Die Ergebnisse und Beiträge der rund 60 Teilnehmenden würden in die Online-Plattform „Vision Bergstraße“ eingespeist.

Wohnungslücke wird größer

Landrat Christian Engelhardt würdigte die „konstruktiven Debattenbeiträge“ und reagierte auch gleich auf die fünf  Vorschläge. Ihm sei bislang gar nicht aufgefallen, dass es in den Städten des Landkreises keinen qualifizierten Mietspiegel gebe. „Mir fällt nichts ein, was dagegen spreche“, erklärte Engelhardt. Zu den anderen Vorschlägen äußerte er sich eher skeptisch. Mit der Einschaltung von Obleuten oder eines Kompetenzteams bestehe die Gefahr, dass Konkurrenz zu besehenden Strukturen geschaffen werde. Er sprach sich für eine bessere Koordination unter Einschluss bestehender Einrichtungen wie Mieterbund oder der Interessenvertretung der Haus- und Grundstückseigentümer aus. Zugleich räumte er ein, dass die Politik die Wohnungsfrage „zu spät“ thematisiert habe. „Vor zehn Jahren hieß es, der demographische Wandel stehe bevor, wir schrumpfen und die Häuser stehen bald leer.“ Heute müsse jeder verfügbare Wohnraum mobilisiert werden. Allein der Landkreis brauche pro Jahr 1.400 neue Wohnungen, gebaut würden aber nur 400. „Die Lücke wird von Jahr zu Jahr größer“, so der Landrat.

Evangelische Kirche (ge-)fordert

Dekan Arno Kreh, der gemeinsam mit Präses Dr. Michael Wörner die Plenumsdiskussion moderierte, sagte, mit dieser Veranstaltung wolle das Dekanat das Thema Wohnen in die Gesellschaft hineintragen. „Als evangelische Kirche gehört es zu unseren Aufgaben, Probleme anzusprechen, die Menschen unter den Nägeln brennen, und nach möglichen Lösung zu suchen“, so der Bergsträßer Dekan.

Die Veranstaltung „Strategien für bezahlbares Wohnen war Teil der Reihe „Glauben-Leben-Fragen“, mit der das Evangelische Dekanat das Gespräch mit engagierten Christen und Verantwortungsträgern aus Kirche und Gesellschaft sucht.

Quelle: Evangelisches Dekanat Bergstraße (bbiew), 08.03.201
Foto: bbiew

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